Sanl #52 jahresplanung

Jahresplanung – fixe Ziele, sicheres Scheitern.

Jahresplanung: Same procedure as every year.

Wenn wir planen, lachen uns die Götter aus. Denn wir wissen zu wenig für einen perfekten Plan. Doch jeder Plan wirft Licht in die Zukunft und gibt uns Halt bei der Entscheidung, welche der sich ergebenden Optionen für uns gut sind. Die/der ambitionierte Managerin/Manager nimmt zum Ende des Jahres, vor der Silvesterparty, ein Blatt Papier und den Füllfederhalter und schreibt seine/ihre Jahresziele auf: für das Business, die Finanzen, die Gesundheit, für das Mindset.

Ich nutze dafür seit Jahren den Jahreskompass. Same procedure as every year.

Dann hat der Nachbar wieder das größte Feuerwerk. Um 12 wird angestoßen. Bei Dinner for One stolpert der Butler betrunken über das Tigerfell.

Das neue Jahr startet dann mit neuen Zielen. Oft geht es um Gesundheit, Finanzen, Job oder Familie. Same procedure as last year.

Das zeigt auch die Statistik: Laut der International Health, Racquet & Sportsclub Association (IHRSA) entfallen 12 % aller jährlichen Fitnessstudio-Anmeldungen auf den Januar, während der Rest des Jahres durchschnittlich nur 8,3 % der Anmeldungen ausmacht. Über die Hälfte aller Neuanmeldungen des Jahres entfallen allein auf den Januar.

Und dann geben viele schnell auf.

  • Unrealistische Ziele: Das Training für spezifische Körpertypen (Ektomorph, Mesomorph, Endomorph) folgt unterschiedlichen Prinzipien hinsichtlich Muskelaufbau, Fettabbau und Ausdauer.
  • Ausbleibender Erfolg, weil das Wissen für ein passendes Training fehlt.
  • Überfüllte Studios und fehlende Kapazitäten beengen die Fläche für die Neuanfänger und die fitten Athleten. Enge führt zu ‘Body Shaming’ führt zu der Frage: „Muss ich mir das geben?”
  • Die fehlende Integration in den Alltag führt dazu, dass Fitness nicht als neue Gewohnheit umgesetzt wird. Es ist eine Tantalusaufgabe, sich jeden Tag den Anstoß zu geben, ins Fitnessstudio zu gehen.

Deswegen geben so viele auf. Die meisten Jahresziele sind bereits am Ende des Monats unerreicht, erscheinen unrealistisch, sind demotivierend und werden vom Alltag überrollt. Jedes Jahr aufs Neue.

Deswegen lachen die Götter über uns, wenn wir planen.

Wir Menschen müssen nur richtig planen.

Ohne Planung kein Erfolg.

Auf Planung kann bei keinem ambitionierten Vorhaben verzichtet werden.

Vom Restaurantbetrieb bis zur Raummission. Von der Autofabrik bis zur Softwareproduktion.

Das Problem: Wichtige Planungsinformationen entstehen erst, wenn wir mit dem Vorhaben begonnen haben. Auf dem renommierten Planview-Blog wurde im letzten Oktober ein Artikel über Value Stream Management als erfolgreiche Methode bei der Hard- und Softwareintegration in der Autoindustrie veröffentlicht. Diese Methode fokussiert die Umsetzungsgeschwindigkeit, strategische Entscheidungen, Risikomanagement und „technical debt”. Technical debt entsteht, wenn man den einfachen Weg geht.

Also gibt es für jedes Umfeld die passende Planungsmethode. Für persönliche Jahresziele braucht es eine komplexe Methode. Auch eine komplizierte Methode macht die Jahresplanung nicht zuverlässig. Es braucht sinnvollen Kontext für die Planung. Diese Erkenntnis hatte ich bei unserer Atlantiküberquerung 2019 bis 2021.

Die Reise der Segelyacht „ARGO“ 2019-2022

Wir hatten die Reise seit 2014 geplant und sind dann am 1.8.2019 losgefahren. In unserem 14-m-Segelboot ARGO, mit dem Hund Vu und der ganzen Familie. Wir hatten viele feste Pläne: welche saisonalen Winde wir nutzen, wann welcher Hafen angelaufen werden sollte, wo Crewmitglieder getauscht werden, wo wir Nahrungsmittel, Medikamente und Ersatzteile beschaffen konnten, wo wir Reparaturen an Segeln und Motor ausführen konnten. So war die Atlantikrunde für genau 12 Monate geplant.

Am 18. März 2020 waren alle unsere Pläne zunichte. Wir lagen in Santiago de Cuba und die Welt ging damals in den ersten Lockdown. Dass wir gezwungen wurden, unsere Pläne aufzugeben, war das Beste, was uns passieren konnte: Während in Europa die Menschen im Lockdown waren, saßen wir auf unserem Boot an paradiesischen Orten in der Karibik. Aus einem Jahr wurden fast drei Jahre. Statt der Bermudas segelten wir nach Mexiko und Panama. Wir mussten immer wieder neu- und umplanen. Wir haben wahrscheinlich 20 Jahrespläne gemacht.

Und ich habe in der Zeit sehr viel über Demut und Planen gelernt. Ohne Planung hätten wir diese Reise nie sicher beendet. Wir sind ohne Unfall und ohne Schaden wieder bis nach Europa zurückgesegelt.

Vier Elemente, welche Zielen wichtigen Kontext geben.

Neben klaren Zielen (”Wir wollen nach San Blas in Panama und wir wollen die Piraten von Honduras vermeiden”) braucht man natürlich Karte und GPS zur Fortschrittsmessung.

Aber es braucht vier weitere Elemente:

  • Klare Prinzipien: Die Experten, die Profis auf einem Gebiet, haben Merksätze. wie „Nie im gleichen Ozean wie ein Hurrikan segeln”. „Beim Segeln immer einen Plan B haben.“ Oder: „Ein Dieselmotor kann nicht kaputt sein, wenn er Kompression hat und genug Diesel bekommt.“ Das bedeutet, dass man fast jeden Dieselmotor zum Laufen bekommt. Oder: „Es gibt kein perfektes Boot, irgendwas ist immer kaputt.“ Also wer wartet, bis das Boot perfekt ist, wartet vergeblich. Das Kennen und Befolgen solcher Prinzipien macht die ambitioniertesten Ziele möglich. Man muss diese Prinzipien nur von Experten aktiv sammeln.
  • Bewährte Protokolle: Es gibt sinnvolle Prozesse und Vorgehensweisen, wie zum Beispiel Essen im Voraus für drei Tage zubereiten. Denn jeder Körper braucht 3 Tage, um sich an die schnellen Bewegungen zu gewöhnen. Auch für schlechtes Wetter, schwieriges Einlaufen in Häfen, Notfälle auf See und medizinische Notfälle gibt es solche Protokolle. Idealerweise übt man dies vorher: Wir haben einen Sicherheitskurs in der Marineschule in Neustadt, Holstein. Die Kenntnis solcher Protokolle macht eine Atlantiküberquerung erst möglich.
  • Feste Kapazitäten: Es ist wichtig, feste Zeiten für das Arbeiten an den Zielen in den täglichen Ablauf festzulegen. Um große Ziele zu erreichen, braucht es Zeit. Man profitiert vom Zinseszinseffekt der Zeit. Es entsteht eine Wachstumsdynamik, der “Flywheel-Effekt”. In der Vorbereitung an Land beschäftige ich mich täglich mit Themen wie Routen, Ausrüstung, Grenzkontrollen, Gesundheit und Geld. Während der Reise arbeitete ich täglich an Instandhaltung und Routenplanung.
  • Wechselnder Antrieb: Ohne innere Motivation macht keine noch so detaillierte Planung Sinn. Doch dieser innere Antrieb schwankt. Auf den Segelrouten gibt es viele Häfen (z. B. Gran Canaria, Martinique, French Polynesia), in denen sehr viele Segelboote zum Verkauf stehen. Viele Segler stellen auf der Reise fest, dass ihr großer Traum in der Realität sich ganz anders anfühlt. Doch diese Stimmungstiefs haben andere. Und der Austausch untereinander hilft, sich Zuspruch zu geben und den eigenen Antrieb wieder zu entfachen.

Das Allerwichtigste ist: Anfangen.

Das schwarze Loch der Planung ist die Analyse bis zur Paralyse. Beim Segeln habe ich auch immer die mit schlechten Plänen getroffen. Die haben dann Unfälle: Sie landen im Sturm am Strand, versenken ihr Boot an einem Riff oder werden nachts von einem Dampfer überfahren.

Bei der Jahresplanung sind das die mit dem Jahresabo für das Fitnesscenter, das sie nie nutzen. Aber das passiert jedem: Wir sind 2020 in West Palm Beach gestrandet und konnten erst mit der nächsten Flut weitersegeln. Ein Trump-Supporter fuhr auf seinem Motorboot in Hörweite vorbei und fragte seine Frau, wie man nur so ein Idiot sein kann, mitten in der Hafeneinfahrt zu stranden.

Die eigenen Fehler sind die besten Lernerfahrungen. Es ergeben sich neue Prinzipien, zum Beispiel nie bei beginnender Ebbe über zu flachen Grund zu fahren. Man kann auch andere fragen und von ihren Erfahrungen profitieren. Wir laufen in dieser Zeit des Jahres Gefahr, zu statische Ziele zu setzen: Ich will das Gewicht, das Gehalt, diese Marathonzeit, diesen Job. Und akzeptieren schon heute, dass wir scheitern.

Doch wir sollten anfangen und auf dem Weg prüfen: Welchen Prinzipien und Protokollen folgen diejenigen, die erfolgreich das Ziel erreicht haben? Habe ich genügend Kapazität eingeplant? Was hilft mir über die Tage, an denen ich nur geringe Motivation habe?

Also: Überprüfe noch einmal deine Jahresplanung.

Wo fehlen Prinzipien, der Prozess, …? Hast du Kapazitäten eingeplant und Vorsorge für schwankende Motivation getroffen?

Die Marinas auf den Kanaren sind voller seetüchtiger Yachten, die nie den Atlantik überqueren werden. Die kann man sehr günstig kaufen. Und auch 2025 können Besitzer von Fitnessstudios bereits Ende Januar sagen, wie das Jahr läuft.

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