Ich kenne keine bedeutendender und trivialere Aussage als diese:

Lesen und Schreiben bilden das Fundament einer modernen, liberalen Gesellschaft - und sind zugleich die Voraussetzung zur Entwicklung innovativer Technologien. Wie im Großen, so auch im Kleinen: Schreiben bzw. Journaling ist das Werkzeug schlechthin zu beruflichen Entwicklung, für systematisches Lernen sowie klare, reflektierte Entscheidungen im Alltag zu treffen.

Das Triviale kommt davon, weil jeder schreiben kann.

Doch mit Schreiben ist nicht der Einkaufszettel gemeint. Oder die Antwort unter einem Social Media Post. Sondern, regelmäßig einfach die eigenen Erlebnisse und Gedanken aufzuschreiben. Tagebuch zu schreiben. Journaling. 

Heute möchte ich meine Leser zum regelmäßigen Schreiben bewegen. Weil das Klarheit schafft und unglaubliche Schaffenskraft freisetzt.

Schreiben ist eins der am stärksten unterschätzten Tools. Jeder kann es, doch die wenigsten nutzen es für sich.

Menschen lassen sich unterscheiden – nicht nur nach Sternzeichen, Autopräferenzen oder ob sie beim scharfen Nachdenken Mundbewegungen machen, sondern nach der Häufigkeit, mit der sie schreiben.

Und nein, damit meine ich nicht den Einkaufszettel („Bananen, Fahrradschloss, vegane Mortadella“) oder den Kommentar-Overkill unter dem 384. LinkedIn-Post zu aktuellen Denkpäferenzen.

Ich meine: echtes Schreiben. Gedanken. Komplexes Innenleben. Worte, die nicht direkt dem Algorithmus entspringen oder kopiert werden.

Heute möchte ich meine Leser dazu bringen, regelmäßig zu schreiben. Nicht weil ich ein Tagebuch verkaufen will, sondern weil Schreiben Klarheit schafft. Und zwar nicht nur darüber, warum wir so verwirrt sind, sondern auch darüber, was man eigentlich mit dem vielen Gedanken anfangen soll.

Mourning Journal

Schreiben ist eines der am stärksten unterschätzten Powertools – gleich nach „rechtzeitig ins Bett gehen" und „nicht jedem Impuls auf Social Media folgen".

Der einfachste Start ist ein "Mourning Journal"

Irgendwann realisierte ich, dass mein Leben einfach so vorbeizog.  Mit den 50 bis 60 Stunden Arbeitszeit in meinem Unternehmensjob fühlte ich mich wichtig und erfolgreich. Aber ich kam nicht mehr vorwärts.

Auf der Stelle zu treten, um ein gutes Leben zu haben, war kein Kompromiss, den ich eingehen wollte. Aber wo ist die Lösung, wenn nicht in mir?

Also begann ich, jeden Morgen meine Gedanken einfach mal auf ein Blatt Papier „zu kotzen“. Spontan. Ehrlich. Unvollständig. Und siehe da – irgendwo zwischen Selbstmitleid und chaotischem Kritzeln entdeckte ich die Kraft des Journalings.

Nach über 2.000 Tagen – von denen ich wahrscheinlich an 60 bis 70 % überhaupt geschrieben habe – kristallisierten sich für mich vier Prinzipien heraus.

  • „Wir haben 10 Euro Aufmerksamkeit und können sie nicht für Mist ausgeben.“  Diese Regel habe ich aus „A Turn in the Wrist“ – ein Buch über Motorradfahren – übernommen. Die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zu richten, hält mich auf einem Motorrad am Leben. Alle unwichtigen Dinge müssen intuitiv, automatisiert und unbewusst ablaufen. Ablenkungen und verschwendete Aufmerksamkeit sind zu vermeiden, damit der Fokus auf das Wesentliche maximiert wird. Und so ist es auch im Alltag - die meisten Dinge MÜSSEN unbewusst ablaufen. Journaling hilft, diese Dinge an die Oberfläche zu bringen.
  • „Die Augen des Bauern machen die Kühe fett.“  Selbst wenn wir nicht wissen, wie wir direkt zum Ziel kommen und uns auf die Dinge konzentrieren, die wir im Moment erreichen wollen, passiert plötzlich etwas Magisches. Unser Verstand sucht ständig, ob bewusst oder unbewusst, nach Möglichkeiten, um das zu erreichen, was wir wollen. Journaling hilft uns, unseren Fokus über längere Zeit auf bestimmte Sachen zu richten und dort voranzukommen.
  • „Ich kommuniziere jeden Tag mit meiner Zukunft.“ Beim Schreiben bringe ich Dinge, die nur Gedanken sind, aus meinem Kopf heraus auf ein Blatt Papier. Gedanken werden gegenständlich und sichtbar. Ich kann mich strukturiert mit diesem Gedanken auseinandersetzen. Und kann meine Zukunft konstruieren.
  • „Der innere Affe sollte besser die Klappe halten.“  Unser Ego ist darauf programmiert, uns ständig zu kritisieren. Ich nenne das “den inneren Affen”: Diese Selbstgespräche schüren Ängste und Zweifel. Wenn “der Affe weniger plappert”, wenn wir weniger an uns zweifeln und uns selbst vertrauen, sind wir auf dem Weg zum Erfolg. Tagebuchschreiben ist ein bewährtes Mittel dafür. Schreiben hilft, ein stabiles Selbstwertgefühl aufzubauen.

Zehn bis fünfzehn Minuten am Tag reichen.

Der Effekt ist erstaunlich. Das Problem sind die vielen vollgeschriebenen Bücher. Deswegen habe ich mit täglichem Schreiben am Computer experimentiert, was den Vorteil hat, dass man die Texte leichter durchsuchen kann.

Wenn Schreiben so mächtig ist, dann muss es auch eine wissenschaftliche Erklärung geben. Und die kommt jetzt: Die Wissenschaft bevorzugt tatsächlich handschriftliches Schreiben.

Neuropsychologisch ist das Denken beim Schreiben tiefer

Die Forschung ist da ziemlich eindeutig: Auf jeden Fall sollte man handschriftlich aufschreiben.

1. Tiefe Verarbeitung durch motorische Aktivität

Beim Schreiben mit der Hand sind feinmotorische Prozesse aktiv, die mit sensorischer Rückmeldung und räumlicher Orientierung verbunden sind. Diese zusätzliche körperliche Beteiligung fördert die tiefere Verarbeitung von Inhalten – laut dem „Levels-of-Processing”-Modell der Gedächtnispsychologie.

2. Stärkere neuronale Vernetzung

Beim handschriftlichen Schreiben sind mehrere Gehirnareale gleichzeitig aktiv:

  • der motorische Cortex (für die Handbewegung),
  • der visuelle Cortex (zur Kontrolle der Schrift),
  • der präfrontale Kortex (für Planung und Reflexion). Diese gleichzeitige Aktivierung fördert vernetzte Gedächtnisspuren, was zu einem nachhaltigeren Lernergebnis führt.

3. Langsameres Tempo = mehr Zeit für Reflexion

Handschriftliches Schreiben ist langsamer als Tippen. Dieses reduzierte Tempo gibt dem Gehirn mehr Zeit, um Informationen zu verarbeiten, Gedanken zu strukturieren und sich bewusster mit Gefühlen oder inneren Konflikten auseinanderzusetzen. Das verbessert die emotionale Klarheit.

4. Förderung der Selbstregulation

Studien zeigen, dass handschriftliches Schreiben exekutive Funktionen wie Selbstkontrolle, Planung und Impulshemmung stärkt – Fähigkeiten, die für echte Selbstreflexion essenziell sind. Es entsteht ein bewusstes “Innehalten”, das das automatische Denken unterbricht.

5. Emotionale Verarbeitung wird unterstützt.

Beim Schreiben mit der Hand berichten viele Menschen von einem stärkeren emotionalen Zugang zu sich selbst. Das liegt daran, dass das limbische System – insbesondere die Amygdala und der Hippocampus – stärker in die Verarbeitung eingebunden sind, wenn Inhalte körperlich-expressiv festgehalten werden.

6. Individuelle Spur = stärkere Identifikation

Die eigene Handschrift ist einzigartig. Das fördert die Identifikation mit dem Geschriebenen und kann zu einem Gefühl führen wie: “Das bin ich. Das habe ich gedacht.” – was die Selbstakzeptanz und Integration eigener Gedanken unterstützt (Stichwort: Selbstkohärenz).

Aber handschriftliches Aufschreiben hat mindestens zwei große Nachteile: 1.) jedes Moleskine-Journal liegt mittlerweile bei ca. 20 Euro. Plus Stift. Bei einem Verbrauch von 1 bis 2 pro Monat kommt man leicht auf Kosten von 200 bis 500€ im Jahr allein für das Journal. Und außerdem ist so ein Journal 2) nicht durchsuchbar.

Eine digitale Alternative erspart das Ansammeln von Papier.

Eine mögliche Lösung ist ein digitales Schreibjournal, wie zum Beispiel das Remarkable.  Es gibt viele andere Produkte und entsprechende Produktreviews auf YouTube.

Das haptische Schreiberlebnis ist fast identisch mit Papier.  Es ist schmaler als ein Moleskine und passt somit in jede Laptoptasche bei ungefähr gleichem Gewicht. Ein Vorteil ist, dass man mehrere digitale Notizbücher hat und somit die Navigation oder die Kapitelbildung viel einfacher ist, als in einem klassischen Notizbuch.

Remarkable ersetzt Papier

Eine von reMarkable in Auftrag gegebene Studie, durchgeführt von dem Neurowissenschaftler Dr. Thomas Zoëga Ramsøy, untersuchte die Auswirkungen der Nutzung des reMarkable-Tablets im Vergleich zur Arbeit am Computer. Die Ergebnisse zeigten:

  • 35 % weniger Stress: Teilnehmer, die das reMarkable-Tablet verwendeten, berichteten von einem signifikanten Rückgang des Stressniveaus im Vergleich zur Computernutzung.
  • 30 % geringere mentale Belastung: Die Nutzung des Tablets führte zu einer reduzierten kognitiven Belastung, was auf eine effizientere Informationsverarbeitung hinweist.
  • 25 % höhere Kreativität: Die Teilnehmer zeigten eine gesteigerte kreative Leistung, was auf die förderliche Umgebung des Tablets für kreative Prozesse zurückgeführt wurde.
  • 20 % mehr Fokus: Die ablenkungsfreie Oberfläche des reMarkable-Tablets unterstützte die Konzentrationsfähigkeit der Nutzer erheblich.
  • 17 % bessere Gedächtnisleistung: Die Studie zeigte eine verbesserte Erinnerungsfähigkeit bei den Teilnehmern, die das Tablet nutzten.

Diese Ergebnisse wurden durch Messungen der Gehirnaktivität mittels EEG und der Herzfrequenzvariabilität (HRV) gestützt.

Welche Argumente gibt es noch, die gegen das tägliche Schreiben sprechen?

Auf geht’s!

Was bleibt da noch zu sagen? Wir wissen, dass Schreiben hilft. Wir wissen, dass Tools wie das reMarkable uns dabei unterstützen können, ohne dabei so zu tun, als müssten wir dafür gleich einen handgeschöpften Zen-Garten anlegen.

Die Frage ist also nicht mehr, ob du schreiben solltest – sondern nur noch, wie lange du dir selbst noch ausreden willst, es nicht zu tun.

Dein Kopf ist voll, dein Alltag chaotisch, dein Fokus fragil wie ein Montagmorgen. Schreiben sortiert. Punkt. Ob auf Papier, Tablet oder einer Serviette im Zug – Hauptsache, du fängst an.

Oder du lässt es. Und scrollst weiter.

Auch eine Entscheidung.

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