SALN #42 – Beachte diese 6 Dinge, falls du ein Abfindungsangebot bekommst.

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Die Absätze von Autos, besonders von den Elektrofahrzeugen, bröckeln weltweit. Die hohen Zinsen, Energiekosten, Lohnabschlüsse und Inflation in Deutschland drücken auf die Ergebnisse von Herstellern, Zuliefern und Händlern. 

Arbeitsplätze in der Automobilindustrie werden reduziert. Dieses Mal handelt es sich um bedeutende Veränderungen in der Struktur und um Kapazitätsanpassungen. Daher könnte es dich auch betreffen. 

In der Finanzkrise 2008/2009 war ich von einer betriebsbedingten Kündigung betroffen. Ich konnte sie abwenden. Die Ironie des Schicksals wollte, dass ich als Berater während dieser Zeit einen Personalabbau von Unternehmensseite erfolgreich durchgeführt habe. 

Deswegen möchte ich diese Ausgabe des Newsletters diesem Thema widmen und meine Erfahrungen teilen.  

Denn auch hier gibt es etwas Wichtiges zu lernen. 

Kündigungen und Abfindungen überraschen die Betroffenen in fast allen Fällen. Sie sind wie Gewitter – sie kündigen sich an, doch wir versuchen, sie zu ignorieren. Wir hoffen, dass sie uns nicht treffen, dass sie vorbeiziehen. Doch wenn Gewitter, Kündigungen und Abfindungen kommen, ist man besser auf sie vorbereitet. 

Akzeptiere die Situation. 

Wenn Kosten steigen, der Absatz zurückgeht und Renditeerwartungen festgelegt und zementiert sind, dann muss etwas nachgeben.  

Auf Zinsen, Inflation oder Energiekosten haben Unternehmen keinen Einfluss.  

Auf ihre Personalkosten haben Unternehmer großen Einfluss. 

Die Kapazitäten in der Deutschen Autoindustrie sind zu hoch.  

2017 erreichte der KFZ-Absatz in Deutschland 3,6 Millionen, (in Europa 16 Millionen). 2022 waren es 2,3 Millionen (13,7 Millionen). Für 2024 sind 2,2 Millionen (13 Millionen) geplant. Der Exportüberschuss nach China ist bereits negativ, d.h. die Chinesen verkaufen mehr Autos in Europa als wir in China. 

Auch wenn die Presse noch über den Zustand rätselt: Der Supertanker „Deutsche Autoindustrie” ist ganz klar in einer Schieflage. Die Faktenlage ist eindeutig. 

Die Industrie muss kleiner werden und überschüssige Kapazitäten abbauen. Jedes Unternehmen in der Autoindustrie mit einem Abbauprogramm handelt kaufmännisch verantwortlich. 

Das sind die harten Fakten. „Aufs Beste hoffen und aufs Schlimmste vorbereitet sein“, ist derzeit die beste Maxime für jeden in der Industrie. Es ist Zeit, die Schwimmwesten anzulegen.   

Es ist nicht persönlich. 

Das Angebot zur Vertragsaufhebung kommt für jeden, der an seinem Job hängt, überraschend. Es trifft die Guten und die weniger Guten. Es trifft die Anfänger genauso, wie die alten Hasen. 

Du fragst dich bestimmt: Warum ich? Was habe ich falsch gemacht? 

Die Antwortet lautet: Nichts.  

Aber das Umfeld hat sich geändert. Das Schiff hat Schlagseite bekommen und muss wieder aufgerichtet werden. Du bist in dieser Situation in erster Linie eine Personalnummer.  

Lass mich kurz erklären, wie ein Abbauprogramm entsteht. 

Für Abbauprogramme werden „Gewinn- und Verlustsimulationen“ angelegt. Je nach Annahmen werden unterschieden “Best Case”, “Worst Case” und “Realistic Case”.  

Zu Beginn wird eine Mindestschwelle für den Gewinn festgelegt. In einer Exceltabelle oder ähnlichem wird die Umsatzvorschau für mindestens drei Jahre eingetragen. Anschließend werden alle derzeitigen Kosten und Investitionen eingetragen, mit Kostensteigerungsraten und Abschreibungen.  

Das Excel rechnet aus, wie viele Kosten gespart werden müssen, um das Gewinnziel zu erreichen. Das ist die „Anspannung“. 

Anschließend wird die Liste der Mitarbeiter genommen mit Personalnummer, Bruttogehalt mit allen Zulagen, die Anzahl der Jahre Betriebszugehörigkeit, sozialer Status bzw. Unterhaltspflichten (verheiratet, Anzahl der Kinder usw.) und Alter. In einigen Unternehmen wird noch vermerkt, wie kritisch die Mitarbeiter für den Weiterbetrieb sind. Namen sind zum Beispiel unwichtig. 

Der Inhalt dieser Excelliste ist brutal in seiner Faktenorientierung und bewusst unpersönlich. 

Ob man in den letzten Jahren immer wieder die Kartoffeln aus dem Feuer geholt, das Team inspiriert und die Kunden begeistert hat, lässt sich in ein solches Excel nur sehr schwer eintragen. Die Chancen sind groß, dass viele Dinge, die uns als Menschen wichtig sind und uns als Personen ausmachen, unter den Tisch fallen. 

Das ist frustrierend. Aber absolut logisch. 

Mit diesen Daten können Szenarien für die Einsparung bei Personalkosten gerechnet werden.  

Zunächst wird die Abfindung errechnet (mehr dazu gleich). Dann kann man ausrechnen, wieviel Personalkosten sich bei einem festgelegten Abfindungsbudget einsparen lassen. Grundsätzlich ist es so, dass Mitarbeiter mit einer langen Betriebszugehörigkeit und vielen Kindern oft ein hohes Gehalt haben, aber auch teurer abgefunden werden müssen. Mitarbeiter mit einer kurzen Betriebszugehörigkeit sind oft leichter abzufinden, aber sie haben weniger hohe Gehälter. 

Die Auswahl erfolgt nach Kriterien. Es geht darum, dass Schiff wieder aufzurichten. 

Sei vorbereitet für schnelles Handeln. 

Arbeitsrecht in Deutschland ist (wie das meiste MADE IN GERMANY) sehr komplex. Deswegen braucht man die besten Arbeitsrechtler, um seine Interessen im Arbeitsrechtsstreit durchsetzen zu können. 

Das wissen Arbeitsrichter. Sie tendieren zu einem Interessensausgleich und urteilen eher zugunsten des wirtschaftlich Schwächeren, den Arbeitnehmer. 

Denn Arbeitgeber engagieren die besten Großkanzleien, die sehr einschüchternd sind. Außerdem sind die Programme lange in Vorbereitung und verschaffen dem Arbeitgeber einen zeitlichen Vorteil. 

Gute Arbeitsrechtler arbeiten oft für Großunternehmen, weil ihre Rechnungen dort ungleich größer ausfallen als bei einem Einzelmandanten. 

Durch die langfristige Vorbereitung des Abfindungsprogramms und das Engagement der besten Anwälte entsteht eine Informationsimbalance zu Gunsten des Arbeitgebers. Als Arbeitnehmer sitzt man am kürzeren Ende. 

Doch jeder kann sich einen Anwalt suchen, der einen Prozess gewinnen kann. Die Arbeitsrichter sehen das Engagement für die eigenen Interessen mit Wohlwollen. Deswegen ist der größte Engpass derzeit, an eine qualitativ hochwertige Arbeitsrechtsberatung zu gelangen. 

Ein guter Arbeitsrechtler verbessert die Verhandlungsposition erheblich. Aussagen der Personalabteilung wie: „Dieses Angebot gilt nur, wenn Sie sofort unterschreiben und von einem Rechtsstreit absehen.“, erscheinen unlauter und rufen nach kompetenter juristischer Prüfung. Aus spieltheoretischer Sicht sind sie nie das Beste zu erzielendes Angebot für den Arbeitnehmer, denn der Arbeitgeber spielt eindeutig die Karte der Informationsasymmetrien 

Denn bei großen Abfindungsprogrammen hat die Personalabteilung eine enorme Komplexität zu steuern (siehe oben die Simulationen, hinzu kommen die Verhandlungen mit dem Betriebsrat usw.). Ein guter Rechtsanwalt findet nach meiner Erfahrung immer Anknüpfungspunkte und Gegenargumente und verändert die Informationsimbalance aus spieltheoretischer Perspektive.  

Die Vermeidung der Verzögerung und eines aufwändigen Rechtsstreits ist dem Arbeitgeber bares Geld wert. Das kann er in den Simulationen nachrechnen. 

Es gilt die Regel: Sobald das Gewitter aufzieht, und spätestens, wenn das Schiff Schieflage bekommt, sollte man sich nach der Rettungsinsel (= kompetenter Rechtsbeistand, Steuerberater und Coach) umschauen.  

Wenn das Angebot auf dem Tisch liegt, ist es schon fast zu spät.  

Denn bei einem Personalabbau in Deutschland benötigt jeder, der einen Arbeitsvertrag hat, juristische Beratung, einen Steuerberater und idealerweise einen Coach. 

Ein gutes Angebot ist > Faktor 2. 

Was der Rechtsanwalt mitteilt, ist ungefähr dies (Achtung: unbedingt mit einem Rechtsanwalt verifizieren. Dieser Text ist keine Rechtsberatung): Bei einer betriebsbedingten Kündigung steht dem Arbeitnehmer per Gesetz eine Abfindung von einem halben Monatsbrutto pro Jahr Betriebszugehörigkeit zu. 

Dieser Faktor gilt für alle: für den Kleinbetrieb mit 80 Mitarbeitern, den Mittelständler mit mehreren tausend Mitarbeitern. Aber auch für den Großkonzern mit über hunderttausend Mitarbeitern. 

Ein Monatsbrutto errechnet sich aus sämtlichen Einkünften plus Zuwendungen und Zulagen für ein Jahr aufsummiert und dann durch 12 teilt. 

Personalabbau ist zustimmungspflichtig.  

D.h. der Arbeitgeber verhandelt mit dem Betriebsrat ein „Paket“. Der wichtigste Parameter im Paket ist der „Faktor“, mit dem dieses Monatsbrutto multipliziert wird, um die Zustimmung des Betriebsrates und der Arbeitnehmer zum Personalabbau zu gewinnen.  

In der Verhandlung verfolgen die Parteien unterschiedliche Interessen: 

  • Der Arbeitgeber möchte so viel Personalkosten so schnell wie möglich unter Aufwendung der geringsten Mittel (Abfindungen) sparen. 
  • Der Betriebsrat möchte das Personal (besonders das verbleibende) so gut wie möglich vertreten und bei den kommenden Betriebsratswahlen viele Stimmen gewinnen. 
  • Der Arbeitnehmer möchte entweder seinen Arbeitsplatz behalten oder das bestmögliche Abfindungspaket erhalten. 

Der Faktor hängt von der Größe und Wirtschaftskraft des Unternehmens ab. Üblicherweise liegt der Faktor bei Großunternehmen zwischen 1,0 und 3,5. Das ist schwer zu verifizieren, da dieser Faktor geheim gehalten wird. Er hängt davon ab, was der Arbeitgeber sich aktuell leisten kann, wie stark die Position des Betriebsrates ist und wer besser verhandelt. 

Die Ultima Ratio, falls eine Einigung nicht erreicht wird, sind massenhafte Arbeitsgerichtsprozesse, die sich über mehrere Jahre hinziehen.  

Vor diesem Hintergrund kann auch jeder Arbeitnehmer sein Paket nachverhandeln, wenn es keinen Abschluss gibt oder man mit dem Verhandlungsergebnis nicht einverstanden ist.  

Ein guter Rechtsbeistand einschließlich Steuerberater stellt das Informationsgleichgewicht wieder her. Ein klares persönliches Ziel lässt Risiken und Chancen besser erkennen und führt zu einer überlegenen Verhandlungsstrategie. 

Abfindungen können über 5 Jahre versteuert werden. 

Eine außerordentliche Zahlung bringt eine höhere Steuerlast mit sich. Der Steuerberater kann dir helfen, eine passende Strategie entsprechend deinen beruflichen Plänen und deiner persönlichen Situation zu finden. 

Nur so viel sei gesagt: es gibt die Möglichkeit der „Fünftelreglung“. Um die ungerecht hohe Steuerlast zu vermeiden, sieht der Gesetzgeber eine Versteuerung über fünf Jahre vor. Das ist vor allem dann attraktiv, wenn du nicht in einen ähnlichen Job wechselst. 

Und hier ist der Catch – die eigentliche Überlegung, in die du viel Zeit stecken solltest. 

Nutze die Chance, in deine Zukunft zu investieren.  

Die Abfindung soll dich angemessen entschädigen dafür, dass du auf sicher geglaubtes Einkommen verzichten musst. Du kannst dieses Geld dafür einsetzen, um deine berufliche Karriere neu auszurichten. 

Das macht vor allem dann Sinn, 

  • Wenn die Veränderungen in der Autoindustrie deine Chancen in deinem bisherigen Beruf mittel- und langfristig verringern. 
  • Wenn du die wirtschaftliche Zukunft deines Arbeitgebers eher skeptisch siehst. 
  • Wenn du wenig Freude und Optimismus aus deiner aktuellen Tätigkeit schöpfst. 
  • Wenn du dich beruflich, örtlich, gesundheitlich, familiär oder finanziell verändern bzw. verbessern willst. 
  • Wenn du dich zu jung für einen passiven Ruhestand fühlst. 
  • Wenn du einen Traum erfüllen willst. 

Die Grundregel beim Investieren lautet: Investiere nur in etwas, was du verstehst. Wenn du in deine berufliche Zukunft investieren willst, dann macht es deswegen keinen Sinn, eine Qualifikation zu beginnen. 

Die beste Art des Lernens ist der Dialog. Deswegen kann dir ein Coach helfen, Klarheit in deine beruflichen und privaten Pläne zu bringen. 

In diesen Newslettern findest du einige Hinweise.  

Oder antworte einfach auf diese E-Mail, wenn du noch mehr Fragen hast. 


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