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Erwachsenenlernen ist langsam. Echte Future Skills werden nicht vermittelt. Ein Grund: Anerkannte Experten sind oft grottenschlechte Lehrer. Expertise garantiert nicht immer didaktische Kompetenz. Fachwissen wird oft höher geschätzt als die eigentliche Kunst der Wissensvermittlung.
Lernplattformen, die Wissen schnell, bequem und günstig verfügbar machen, tappen auch in diesem Falle. Udemy, Coursera oder LinkedIn Learning vermarkten Inhalte, die Reputation der Vortragenden und Teilnehmerbewertungen, und nicht den Lernerfolg.
Der ist offenbar ein Problem: Studien zweigen Abschlussquoten zwischen 4 % und 30 %. Bis zu 70 % der Plattformabonnenten nehmen in ihrem Kurs nie teil.
Die meisten Großunternehmen, mit denen ich gesprochen habe, greifen auf diese Plattformen zurück. Sie zahlen für die Abos, die Lernerfolge bleiben aus.
Wie können wir die Kunst der Wissensvermittlung in digitales Lernen bringen? Dazu sprach ich mit dem Lerndesigner Frank Pomereinke, geschäftsführender Partner der hydra Agentur.
Hallo Frank. Fangen wir ganz vorne an: Was ist dein Traumauto?
Wenn man in Stuttgart, Böblingen oder Sindelfingen aufwächst, befindet man sich praktisch im Herzen der deutschen Automobilindustrie, mit Daimler und Porsche als prägenden Größen. Meine Heimat war jedoch näher an Porsche, weil ich in der Nähe von Weissach wohnte. Die Teststrecke, auf der Walter Röhrl den legendären Porsche 911 getestet hat, befindet sich dort. Nach der Schule habe ich mit meinen Freunden im Gebüsch gesessen und die neuesten 911er über die Teststrecke gejagt.
Und ich bin auch in dem Alter, in dem man sagt: „Der 911er kommt jetzt als Zweitwagen dazu.“
Aber während der Pandemie hat sich meine Leidenschaft für Camping intensiviert und seitdem besitze ich einen T3 Campingbus, der 40 Jahre alt ist. Ich fahre damit mit meinen Kindern zum Campen, wann immer es möglich ist. Mein Traumwagen ist dieser Bus, weil er eine wunderbare Entspannung ermöglicht. Wenn man mit einem Auto mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h über den Brenner zum Gardasee fährt, muss man sich nicht mehr über Staus und den abendlichen Verkehr ärgern, da man weiß, dass man 10 Stunden unterwegs sein wird.
Diese Form der Entschleunigung hat eine enorme Heilwirkung.
2019 und 2022 waren absolute Top-Jahre für die Autoindustrie. Doch veränderte die Pandemie vieles. Die Lernindustrie wurde von der hybriden Home-Office-Arbeit beeinflusst. Wo befinden wir uns derzeit?
Für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen ist Lernen noch entscheidender geworden.
Wissen ist für die Produktentwicklung, die Wertschöpfung und die Umsetzung von Strategien unerlässlich. Es ist von Bedeutung, diese Art der Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und Europa zu bewahren, da Mitarbeiter in diesen Ländern die wichtigste Ressource sind.
Es wird intensiv über zukünftige Fähigkeiten nachgedacht, also die Fähigkeiten, die erforderlich sind, um die Transformation vom Industriezeitalter zum Netzwerkzeitalter zu bewältigen. Unternehmen müssen ihre Mitarbeiter für diese Herausforderungen bestmöglich vorbereiten.
Die Frage lautet: Was sind diese Skills und wie können sie erlernt werden?
Bitte gib uns Beispiele für Future Skills.
Digitale Fähigkeiten und selbstgesteuertes Lernen sind zwei grundlegende Zukunftsfähigkeiten. Digitale Fähigkeiten sind die effektive Nutzung von Tools wie Miro, Microsoft Cloud-Anwendungen und Kommunikationsplattformen wie Slack und Teams.
Selbstgesteuertes Lernen erfordert die Fähigkeit, selbstständig nach Informationen zu suchen und zu erkennen, welches Wissen für den Job relevant ist. Was sollen wir mit den zahlreichen Lehrkatalogen von Udemy oder LinkedIn tun, wenn sie für Anweder:innen nicht relevant sind?
Stichwort ”Creator Economy meets Corporate Learning”. LinkedIn, YouTube und Twitter bieten ebenfalls eine große Menge an relevantem Wissen.
Ja genau, das ist für mich dann auch der dritte Future Skill, nämlich Netzwerken und kollaborativ kreieren.
Es gibt sicherlich Personen im Unternehmen, die ähnliche Probleme und wahrscheinlich auch mein Problem schon einmal gelöst haben. Wie kann ich diese Informationen finden und ein Netzwerk aufbauen? Dann sollte man das Gelernte auch dokumentieren und weitergeben: “Wir haben jetzt verstanden, wie ChatGPT funktioniert, was für uns jetzt für unseren Job wichtig ist, aber vielleicht sollten wir das auch für unsere Kollegen beschreiben, damit es reproduzierbar ist.”
In Unternehmen haben wir heute Lernprogramme und Trainingskataloge, die sich an Stellenprofilen orientieren, Inhalte zuordnen und über ein Learning Management System geliefert werden. Obwohl es gut strukturiert ist, ist es auch statisch.
Ich bezeichne dies mit dem Begriff “Curriculum-Mentalität”. Und die hat heute ausgedient.
Heute geht es darum, dynamische Jobrollen gründlich zu verstehen. Im täglichen Leben sehen sie völlig anders aus als in der offiziellen Stellenbeschreibung.
Ein Beispiel: Während eines Projekts, bei dem wir ein Web-basiertes Training (WBT) für einen Premiumhersteller entwickelt haben, haben wir festgestellt, dass es bei einem typischen Autohändler acht verschiedene Jobrollen im Autohaus gab. Und jede dieser Rollen hat ihre eigenen Lernanforderungen und sucht andere Inhalte in einem solchen WBT.
Bei vielen unterschiedlichen Jobrollen kann mit herkömmlichen Schulungen nicht viel erreichen. Denn die Lernenden haben wenig Zeit, wollen effizient sein.
Um personalisiert angeboten zu werden, müssen die Inhalte modularisiert werden. Die Inhalte müssen wie Lego-Bausteine aufgebaut werden, und für bestimmte Jobrollen kombiniert werden. Um die Jobrollen und Lernbedürfnisse genau zu verstehen, müssen die Trainings mit der Zielgruppe entwickelt werden.
Vor fünf Jahren wurde einfach eine Stunde WBT produziert. Damit erreicht man die Lernenden von heute nicht mehr.
Als Lerndesigner ist es für uns eine Herausforderung, Inhalte auf die unterschiedlichen Jobprofile anzupassen. Wir müssen ein stringentes und sinnvolles Lernerlebnis zu bieten. Dafür sind Anschlussfähigkeit und sorgfältige Übergänge erforderlich.
Jedoch bedeutet dies auch, dass je besser das Verständnis der Lernenden ist, desto besser kann man modularisieren und personalisieren, was wiederum zu einem besseren Ergebnis führt.
Die Einbeziehung der Lerner: innen ist, aus meiner Sicht, der zentrale Punkt.
Wir Lerndesigner setzen auf „Co-Creation”. Und das ist der Schlüssel zum Erfolg.
In den letzten Jahren hat sich nicht nur der Fokus auf den Lerner verändert, sondern auch andere Aspekte. Es werden auch alle Stakeholder identifiziert und in den Prozess integriert. Denn Top Management und Führungskräfte haben auch Anforderungen, die sie erfüllen müssen. Außerdem müssen sie die Lernbedürfnisse verstehen und sich für das Lernen engagieren. Es bedeutet auch, für die Lernenden entsprechende Freiräume zu schaffen.
Das ist enorm spannend, und wenn du mich fragen würdest, Steffen, was mein Steckenpferd ist?
Diesen Co-Creation-Prozess in verschiedene Lernumgebungen zu integrieren und lernerzentrierte Lösungen zu entwickeln. Die meisten haben verstanden, was sie für ihren Job brauchen, und sie wissen das besser als HR oder SME.
Und weißt Du was passiert?
Die Mitarbeiter sind begeistert, weil sie endlich mal gefragt werden.
Richtig, die sind begeistert!
Das ist Motivation pur! Die sagen sich: “Hey, endlich fragt mich jemand.”
Und das ist der zweite versteckte Baustein bei Co-Creation. Und der ist nicht neu. Früher hatten wir immer betont, dass Betroffene beteiligt werden sollten. Und wir erfinden gerade eine neue Version davon. Durch diesen Prozess erhalten wir nicht nur besser strukturierte und modularisierte, zielgerichtetere Lerninhalte, sondern auch eine neue Motivation für die Lernenden.
Wir haben das mit einem Pharmakonzern mustergültig umgesetzt. Dort haben wir die Lernenden in einem mehrstufigen, agilen Prozess so weit gebracht, dass sie am Ende mit SAP-Scenes eigene Prototypen gebaut haben, wie sie lernen wollen. Da waren Wissensnuggets dabei, ideal für kurze Leerzeiten, und ein Podcast mit motivierenden Sprachbeiträgen und so weiter. Wirklich originelle Sachen. Die haben wir dann getestet, bewertet und die besten wurden dann umgesetzt.
Du kannst dir vorstellen, wie engagiert die Lernenden waren. So „Hey, guck mal meine Idee, das wurde umgesetzt.“
Wenn ich als Führungskraft einen Mitarbeiter frage: „Was möchtest Du?“, kann die Antwort bedeuten, dass ich sagen muss:“ Können wir uns nicht leisten.“ Was sind deine Erfahrung dabei?
Das ist uns noch nicht passiert. Denn bei Co-Creation werden alle relevanten Stakeholder früh einbezogen.
Zum Beispiel, in der ersten Phase relevante Bausteine identifiziert und Alternativen zu herkömmlichen Schulungen und E-Learning-Angeboten entwickelt. Das wird dann mit den Führungskräften abgestimmt.
Im nächsten Schritt werden Prototypen erstellt, getestet und bewertet. Das erfolgt iterativ und ermöglicht Anpassungen an die Bedarfe aller Beteiligten.
Etwas ist neu bei Co-Creation: Die Funktion der Führungskräfte wird bei der Co-Creation von „Ansager“ auf „Möglichmacher“ umgewandelt. Um ihr Vertrauen in den kreativen Prozess zu gewinnen, werden sie sich von Anfang an eingebunden. Es ist notwendig, gerade weil die Ergebnisse zu Beginn noch nicht vollständig vorhersehbar sind und wir auf ihre Unterstützung zählen.
Bevor die Module hergestellt werden, werden Budget und Ressourcen ermittelt, um bedarfsgerechte Lösungen zu entwickeln.
Co-Creation ist also ein strukturierter Prozess, der die Unternehmensstrategien, die Lernbedürfnisse der Mitarbeiter und die verfügbaren Ressourcen kombiniert. Co-kreierte Lernmodule sollten einen positiven Return on Investment bringen.
Ja. Da das Potenzial nicht nur in der Digitalisierung und Skalierung von Lerninhalten liegt, sondern auch in vielen weniger beachteten Aspekten, die durch Co-Creation offensichtlich werden.
Ein Beispiel: Ein Kunde wollte seine reinen seminar-basierten Schulungen zur Qualitätssicherung, die mit hohen Reisekosten der Trainer verbunden waren, effizienter machen. Durch den Co-Creation-Prozess wurde deutlich, dass die größte Hebelwirkung bei Moderatoren lag. Diese arbeiten als entscheidendes Bindeglied zwischen Lernenden und Trainern. Jedoch gab es zu wenige Moderatoren, was an der schlechten Ausbildung lag.
Durch den co-kreativen Prozess haben wir uns von der Digitalisierung von Lerninhalten hin zur gezielten Einbeziehung und Optimierung der Moderatoren-Ausbildung umorientiert.
Welche Bedeutung hat Lerntechnologie sowohl heute als auch in Zukunft?
Wir sind nicht technologiegetrieben. Als Lerndesigner verwenden wir jedoch Technologie, um das Ergebnis und die Erfahrung des Lernens zu gestalten.
Dazu müssen wir alle verfügbaren Technologien verstehen und ihre Vor- und Nachteile verstehen. Wir erklären unseren Kunden verschiedene Lernformate innerhalb der Co-Creation. Wir haben ein Arsenal von 40 verschiedenen Lernformaten zur Verfügung, und dahinter steckt natürlich Technologie. Ein Lernformat ist der Einsatz einer bestimmten Lernstrategie oder -technologie. Und die Arbeitsbedingungen der Lernenden bestimmen, welche Formate geeignet sind.
Die Anpassung a verschiedene Geräte und Bildschirmgrößen ist ein weiterer technologischer Aspekt. Es ist möglich, dass Lernanwendungen sowohl auf Desktop-Computern als auch auf Smartphones verwendet werden müssen. Da die Entwicklung hochwertiger, multi-Device-kompatibler Lernanwendungen kostspielig ist, erfordert dies sorgfältige technische Planung.
Es ist wichtig, die Bedürfnisse der Benutzer zu verstehen und eine Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen, um zu entscheiden, ob die Investition in die Multi-Device-Fähigkeit gerechtfertigt ist.
Ein weiteres Beispiel für einen Kunden: 80% der Inhalte wurden so optimiert, dass sie im Back Office auf iPads angeschaut werden konnten. Gleichzeitig wurde eine „Bring-your-own-device“-Richtlinie eingeführt, die es Mitarbeitern ermöglichte, bestimmte Inhalte auf ihren eigenen Geräten anzusehen. Wir haben nur kurze “Cheat Sheets” optimiert, um sie außerhalb der Backoffices auf persönlichen Geräten zu nutzen. Die Masse des Trainings wurde nur auf iPads optimiert, um in den Back Offices angezeigt zu werden.
Eine weitere Ebene ist die Berücksichtigung von Barrierefreiheit, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter mit Seh- oder Hörschwächen multimediale Inhalte ebenfalls erleben können. Auch das erfordert Investitionen.
Der Co-Creation-Prozess liefert Antworten darauf, wo Unternehmen für ein effektives Lernen ihrer Mitarbeiter investieren sollten.
Genau das bieten wir unseren Kunden. Dieser Service ist momentan sehr erfolgreich auf dem Markt. Damit scheinen wir einen Nerv zu treffen. Das kann auch für Kunden mit großen strategischen Herausforderungen oder kurzfristigen Projekten größer oder kleiner skaliert und angepasst werden.
Um es zusammenzufassen: Wir maximieren den Lerninvest, indem wir die Motivation der Lerner: innen als zusätzlichen Hebel komplett ziehen.
Ich habe letzte Woche mit einem der internationalen Top-Trainer für Führungskräfte gesprochen. Sein Erfolgsrezept bisher: Klare Instruktion und Kontrolle der Umsetzung. Ich habe ihm unseren Co-Creation-Service aufgezeigt und er war begeistert.
Vielleicht magst Du noch etwas zu hydra sagen.
Sehr gerne: hydra existiert seit fast zwei Dekaden. Unsere Herkunft liegt im Bereich des Digital Marketings und wir haben uns bei allen deutschen Herstellern und Zulieferern im E-Learning- und Web-Based-Training (WBT) etabliert. Es ist möglicherweise auch auf unsere Herkunft in Stuttgart zurückzuführen. Unser Fokus liegt auf der Automobilindustrie und wir haben im Schwabenland eine hervorragende Position dafür.
Im Vordergrund stand immer die User Experience und unsere WBTs waren von Anfang a hervorragende Lernerlebnisse. Co-Creation ist seit der Pandemie und dem Aufschwung des digitalen Lernens ein wichtiger Bestandteil von Hydra geworden. Unser Team besteht aus 30 Spezialisten, die alles inhouse produzieren, um fesselnde Lernerlebnisse zu schaffen.